#10 Bedarfsplanung für Immobilienprojekte
Caronline Ebner erläutert in dieser Podcast-Episode warum eine Bedarfsplanung bei Immobilienprojekten gemacht werden sollte und wie solch eine Bedarfsplanung abläuft.
Willkommen ^
In dieser Podcast-Episode geht es um die Planung von Gebäuden und dort im Speziellen um die Bedarfsplanung. Mit anderen Worten: ist ein Neubau überhaupt notwendig? gibt es überhaupt einen Bedarf für ein neues Gebäude? Zu Gast bei mir ist Caroline Ebner. Caroline beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Bedarfsplanung. Im Gespräch geht es um die Hintergründe sowie warum und wie eine Bedarfsplanung durchgeführt werden sollte. Mein Name ist Christian Huber und ich freue mich sehr auf das gemeinsame Gespräch.
Begriffsbestimmung & Definition Bedarfsplanung ^
Caroline, kannst du am Anfang bitte kurz erzählen, was die Bedarfsplanung genau ist und wann und wie sollte diese bei einer Gebäudeplanung durchgeführt werden?
Die Bedarfsplanung wird durch die DIN 18205, welche 2016 aktualisiert wurde, beschrieben als „gesamter Prozess der methodischen Ermittlung eines Bedarfs, einschließlich der hierfür notwendigen Erfassung der maßgeblichen Informationen und Daten, und deren zielgerichtete Aufbereitung als quantitativer und qualitativer Bedarf.“ Der Bedarf wird als „Notwendigkeit von materiellen und immateriellen Ressourcen zur Ermöglichung von Aktivitäten jeglicher Art“ definiert. BedarfsträgerInnen sind eine „Person, Gruppe oder Organisation, die den Bedarf hat bzw. ihn feststellt und die Bedarfsplanung auslöst”, wie z.B. private oder institutionelle BauherrInnen, NutzerInnen oder BetreiberInnen. Als Priorität der Bedarfsplanung werden die frühestmögliche Miteinbeziehung der Bedürfnisse, Ziele und Anforderungen der BedarfsträgerInnen genannt. Sie wird nicht nur beim Neubau eines Gebäudes verwendet, sondern auch bei Veränderungen innerhalb des Unternehmens, wie die Anpassungen der Belegungsplanung oder des Flächenmanagements. Wichtig ist, dass die Bedarfsplanung während des gesamten Prozesses miteinbezogen wird. BedarfsplanerInnen sind als eine „Person, Gruppe oder Organisation, welche die Aufstellung eines Bedarfsplanes durchführt“ beschrieben. Das können BauherrInnen, NutzerInnen oder BetreiberInnen sein, welche auch den Bedarf feststellen. Das Ergebnis ist schlussendlich ein Bedarfsplan, welcher „zum frühestmöglichen Zeitpunkt Anlass und Ziele von Planungsprozessen, die der Planung zugrunde liegenden Anforderungen sowie die verwendete Methode darstellt“. (vgl. DIN 18205, 2016)
Auswirkungen auf das Gebäude ^
Das heißt, wenn ich den Bedarf erst später berücksichtige, wird eine Veränderung der Planung teuer. Im schlimmsten Fall habe ich Flächen oder anderes, das so gar nicht sinnvoll sind und dies kostet mich dann in der Nutzungsphase viel Geld.
Im Leitfaden für nachhaltiges Bauen vom Bundesministerium des Innern wird darauf hingewiesen, dass die Einwirkungsmöglichkeit auf die Kosten eines Vorhabens zu Beginn am höchsten ist. Bereits in der ersten Phase der Konzepterstellung werden die kostenwirksamsten Entscheidungen getroffen. Denn ein optimales Gebäude kann auch nur konstruiert werden, wenn die Bedürfnisse und Anforderungen der späteren Nutzung früh bekannt sind und miteinbezogen werden. Unabhängig von der Entwurfsplanung sollte die Bedarfsplanung als eigenständige Leistung mit frühzeitiger Durchführung gesehen werden, denn hier wird der Grundstein für die spätere Ausführung gelegt. Danach wird bei der Variantenuntersuchung zur Bedarfsdeckung geprüft, welche der Pläne am wirtschaftlichsten umgesetzt werden kann. Zu berücksichtigen sind die Ansätze der lebenszyklusorientierten Optimierung der Kosten, vor allem Betriebs- und andere Nutzungskosten und Risikokosten. Auf Empfehlung sollte auch eine Nutzwertanalyse durchgeführt werden, um nicht quantitativ messbare Ereignisse miteinzubeziehen. (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2019)
Phasen der Bedarfsplanung ^
Wie sollte eine Bedarfsplanung denn durchgeführt werden? Gibt ed dazu auch Vorgehensweisen, die untersucht und für gut befunden wurden?
Hodulak / Schramm kommen zu dem Ergebnis, dass eine nutzerorientierte Bedarfsplanung eine klare Struktur braucht und in fünf Phasen unterteilt wird:
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rojektstart: Hier wird der Ablauf festgelegt, alle inhaltlichen, zeitlichen und organisatorischen Projekteckdaten werden erörtert. Zudem werden alle Grundlagen, welche die KundInnen und das Projekt betreffen, recherchiert und die Ziele definiert, um Funktionen, Form, Kosten und Zeit zu bestimmen.
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Informationsermittlung: Zuerst werden WissensträgerInnen motiviert, denn eine gemeinsame Auftaktveranstaltung garantiert einen informativen Start aller Beteiligten. In Interviews mit den einzelnen Organisationseinheiten wird eine Aufnahme der Qualitäten sichergestellt und Informationen über Anforderungen gesammelt. Durch konkrete Zahlen zu Nutzeinheiten, Flächen, Kosten und Terminen werden die quantitativen Bedürfnisse aufgenommen.
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Wissensauswertung: Es werden die auf das Unternehmen abgestimmten Qualitäten und Quantitäten analysiert. Hierbei ist es wichtig zu einem Konsens zu kommen und vor allem Einzelansichten und Widersprüche zu übergeordneten Aspekten zusammenzuführen. Schlussendlich werden die gesammelten Informationen in einem ganzheitlichen Anforderungsprofil kombiniert.
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Bedarfsdokumentation: Hierbei werden alle Erkenntnisse aus den Vorschritten in einer Dokumentation zusammengefasst, zunächst aber nur als Vorabzug. Dann sollte der vorläufige Plan durch den oder die BauherrIn und die NutzerInnen überprüft werden und nach Einarbeitung der gewünschten Änderungen übergeben werden. Den Abschluss der eigentlichen Bedarfsplanung bilden eine Präsentation und die Vorstellung der Ergebnisse.
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Qualitätssicherung: Wichtig ist es das Anforderungsprofil zu kommunizieren, also die Vermittlung der Ergebnisse an die EntwurfsarchitektInnen. Dann erfolgt die Prüfung der architektonischen Lösungen, idealerweise werden hier die BedarfsplanerInnen auch miteinbezogen. Zum Ende werden die ermittelten Anforderungen weiter ausgeführt und wenn notwendig weiter fortgeschrieben. Zu den fünf Phasen und deren Aktivitäten lassen sich noch sieben spezifische Arbeitsschritte zuordnen, die sich durch die Einbindung von BauherrIn, GebäudenutzerInnen und BetreiberIn besonders hervorheben. Bei der ersten Phase ist dies ein Zieleworkshop, beim Übergang zur zweiten Phase ein Kick-Off-Meeting und dann die Fokusinterviews und Zahlenerhebungen. In der dritten Phase sollte ein Konsensworkshop durchgeführt werden, in der vierten die Ergebnispräsentation und in der letzten Phase das Anforderungsmanagement. Es wird darauf hingewiesen, dass zwar jedes Projekt anders ist, aber die aufgezeigte Vorgehensweise immer als Orientierung gilt und die Vollständigkeit und Qualität der Bedarfsplanung sicherstellt. (vgl. Hodulak und Schramm, 2019)
Unvorhergesehenes berücksichtigen ^
Nicht immer kann ich bereits in der Bedarfsplanung alles schon voraussehen. Was ist dann? Kann ich solch Unvorhergesehenes auch irgendwie berücksichtigen?
Achatzi / Schneider / Volkmann kommen zu dem Ergebnis, dass eine Bedarfsplanung „work in progress“ ist. Das heißt, dass das Planen und Bauen nie komplett vorhersehbar ist und im Verlauf des Projektes neue Erkenntnisse gewonnen werden. Deshalb muss die Bedarfsplanung im Laufe des Projektes angepasst und weitergeführt werden. Außerdem müssen die Änderungsanforderungen dokumentiert werden und die Folgen auf Qualitäten, Kosten und Termine kontrolliert werden. Die Autoren weisen darauf hin, dass für selbstnutzende BauherrInnen das Gebäude meist nicht das Kerngeschäft, sondern nur einen sekundären Prozess darstellt. Deshalb wird die Entscheidung eines Baus aus der Notwendigkeit, welche sich durch den Betrieb und dessen Nutzungsanforderungen ergeben, getroffen. Ziel der Bedarfsplanung ist es aber sich nicht in ersten Annahmen zu verfangen, sondern genau zu prüfen und zu hinterfragen und mit den Anforderungen zu vergleichen. (Achatzi, Schneider und Volkmann, 2017)
Fazit ^
Was ist für dich das Fazit daraus?
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die AutorInnen bei der Wichtigkeit einer Bedarfsplanung einig sind. Sie sollte frühestmöglich in den Prozess miteinbezogen werden und kann so bei der Einhaltung von Kosten, Terminen, usw. helfen. Außerdem wirkt sich die Mitwirkung der NutzerInnen bei der Planung positiv auf das Projekt aus.
Outro ^
Vielen Dank Caroline für diesen Einblick in die Bedarfsplanung. Das war die Podcast-Episode mit Carolione Ebner und Christian Huber
Literaturverzeichnis ^
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Achatzi, H. P., W. Schneider und W. Volkmann. 2017. Bedarfsplanung des Bauherrn, Nutzers, Betreibers. In: Achatzi, H. P., W. Schneider und W. Volkmann. Bedarfsplanung in der Projektentwicklung, 9–12. Berlin, Heidelberg: Springer
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Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. 2019. Leitfaden Nachhaltiges Bauen. Berlin
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DIN 18205. 2016. Bedarfsplanung im Bauwesen. Berlin: Beuth Verlag.
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Hodulak, M. und U. Schramm. 2019. Die Vorgehensweise. In: Hodulak, M. und U. Schramm. Nutzerorientierte Bedarfsplanung, 73–94. Berlin, Heidelberg: Springer
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