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#5 Klassische Immobilienbewertungsverfahren versus hedonische Immobilienbewertung


 

Thomas Deutinger vergleicht klassische Bewertungsverfahren von Immobilien mit der hedonischen Immobilienbewertung. Dabei zeigt es Anhand der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema die Chancen und Herausforderungen. Für die Anwendung in der Praxis spricht er über seine Erfahrungen und gibt Tipps zur Verwendung der einzelnen Verfahren.


 

FMI - Podcaster, Autor:innen
Thomas Deutinger und Christian Huber

FMI - Datum der Episode
Episode vom: 29.01.2021

FMI - Dauer der Episode
Dauer der Episode: 09:26 Minuten

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Willkommen ^ 

In dieser Podcast Episode geht es um die Immobilienbewertung. Welche Herausforderungen und welche Chancen hat eine hedonische Immobilienbewertung im Vergleich zu den klassischen Bewertungsverfahren. Bei mir zu Gast ist Thomas Deutinger. Er beschäftigt sich intensiv mit dieser Fragestellung. Im Gespräch stellt er die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden vor und bewertet diese aus Sicht des Sachverständigen. Mein Name ist Christian Huber und ich freue mich sehr auf das Gespräch.

Was ist eine hedonische Immobilienbewertung? ^ 

Thomas, hedonische Preismodelle zur Verkehrswertermittlung von Immobilien werden in der Wissenschaft seit langer Zeit diskutiert. Kannst du jedoch erst mal beschreiben, was ein hedonisches Preismodell ist?

Die Grundidee von hedonischen Modellen besteht darin, dass sich der Wert einer Immobilie aus ihren Eigenschaften zusammensetzt. Wertbestimmende Eigenschaften von Immobilien können nicht voneinander und der Lage „entbündelt“ werden und müssen somit lageabhängig berücksichtigt werden.

Ziel des hedonischen Preismodells ist die Bestimmung der Preise für diese Merkmale bzw Merkmalsbündel in einem Regressionsmodell, wodurch man modellgetrieben die Zu- und Abschläge für unterschiedliche Lage- und Nutzbarkeitsattribute oder Kombinationen aus diesen ermitteln kann. (vgl. Weberndorfer und Brunauer 2015)

Das heißt hier handelt es sich um deine Simulation, welche z.B. für ein konkretes Grundstück einen Preis ermittelt?

Aus dem Modellergebnis können mit automatisierten Bewertungsmodellen für definierte Eigenschaften an einem bestimmten Ort Marktwerte simuliert werden. Aus wissenschaftlicher Sicht werden gegenwärtig hedonische Modelle jedoch eher zur Bildung von Preisindizes verwendet. Die kommerzielle Vermarktung dieser Modelle zur konkreten Marktwertermittlung wird jedoch vorangetrieben.

Voraussetzung für ein hedonisches Preismodell ist eine valide Datengrundlage, welche räumlich wie zeitlich repräsentativ ist. Damit die Vielfältigkeit von Immobilien, das aktuelle Marktgeschehen und die unterschiedlichen Sichtweisen von Akteuren am Immobilienmarkt im Preismodell Berücksichtigung finden können, müssen die Basisdaten folgendermaßen aufgearbeitet werden:

  • Räumliche Perspektive dh Länderweise vs Teilmärkte auf Bezirksebene
  • Zeitliche Perspektive dh aktuelle Preise vs Preisentwicklng
  • Sektorale Perspektive dh Wohnen, Büro etc (Ransmayr Jakob 2010)

Vorteile und Herausforderungen ^ 

Welche Vorteile weisen diese Modelle zu klassischen Bewertungsverfahren auf?

Hier sind sich Sachverständige und Entwickler von hedonischen Modellen zur kommerziellen Vermarktung naturgemäß uneinig. Ich möchte hier von einem Schwarz und Weiß denken sprechen, wo es keine „Grauschattierungen“ gibt. Ich möchte hierzu einige Beispiele aus Fachbüchern und wissenschaftlichen Arbeiten zitieren.

So führt zum Beispiel Maier und Herath im Buch „Immobilienbewertung mit hedonischen Preismodellen“ aus, dass die klassischen Bewertungsverfahren wie Ertragswert-, Sachwert- und Vergleichswertverfahren erhebliche Schwächen aufweisen. So weisen die Autoren darauf hin, dass viele subjektive Wertvorstellungen des Bewerters einfließen. Dadurch ist es oftmals schwierig die Ergebnisse nachzuvollziehen. Weiters weißen die Autoren darauf hin, dass traditionelle Methoden keinen Anhaltspunkt über die Qualität der Bewertung liefern. Dies ist deswegen so, da traditionelle Verfahren nicht auf statistischer Theorie aufbauen und daher auch keine statistisch fundierte Ergebnisse liefern können. (vgl. Maier und Herath 2015)

Kleiber et al. hingegen argumentieren in ihrem Buch „Verkehrswertermittlung von Grundstücken“, dass der Nutzen hedonischer Modelle in der gleichzeitigen Berücksichtigung von Abweichungen mehrerer Merkmale in einem Rechengang liegt. Er weist jedoch darauf hin, dass hohe statistische Anforderungen und Kenntnisse notwendig sind. (vgl. Kleiber et al. 2007)

Gerardy et al. weisen in der „Enzyklopädie der Wertermittlung“ darauf hin, dass neben dem mangelhaften Datenmaterial in erster Linie auch die fehlenden mathematisch statistischen Kenntnisse der Grundstücksbewerter Ursachen für die seltene Anwendung in der Praxis sind. (vgl. Gerardy et al. 2019)

Ich sehe großes Potential in der Portfoliobewertung, also in einem Bereich wo der Marktwert eines einzelnen Objektes nicht der relevante Faktor ist, sondern der kumulierte Marktwert vieler Objekte. Hier möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass Haas die Anwendung der hedonischen Methode in der Portfoliobewertung jedoch für eher ungeeignet hält, da insbesondere in der Anfangsphase einer Portfoliobewertung kaum detaillierte Informationen zu den einzelnen Objekten vorliegen. (vgl. Haas 2010) In der Informationsgewinnung hat sich meines Erachtens in den letzten Jahren sehr viel getan und je mehr marktrelevante Informationen vorliegen desto besser kann ein Portfolio bewertet werden.

Anwendung in der Praxis ^ 

Wie ist dies aus Sachverständigen Sicht zu beurteilen?

Gutachter haben einen Selbstverpflichtung auf eine vollständige Prüfung einer Immobilie. Deswegen verweisen diese vollkommen zurecht darauf, dass zu einer ordentlichen Bewertung immer eine Besichtigung gehört. Ein „desk research“ ist hier nicht ausreichend. Auch deswegen bezeichnen Sachverständige die Bewertung mittels hedonischen Modells als gröbere Immobilienpreisschätzung und im Einzelfall eben nicht als Marktwertbestimmung. (vgl. Seiser 2011)

Das Argument der Besichtigung kann auch nicht wegdiskutiert werden. Ich habe schon so viele Immobilien gesehen, welche im Expose oder auf Bildern großartig ausgesehen haben, sich bei der Besichtigung dann allerdings als katastrophal herausgestellt haben. Nicht nur weil sich die Immobilie in einem wesentlich schlechteren Zustand befand wie auf den Bildern ersichtlich, oft wird der Grund der Veräußerung nicht bekannt. Dabei stellte sich zum Beispiel heraus, dass ein Miteigentümer förmlich alle anderen Bewohner terrorisiert oder bei der Eigentümerversammlung beschlossen wird, dass eine Videoüberwachung vor dem Haus notwendig ist, da dort Drogendealer ihr Unwesen treiben. Ohne Besichtigung und Studium der Unterlagen sind diese Dinge nicht detektierbar.

Hier obliegt es der Verantwortung des Sachverständigen dies festzustellen und entsprechend zu berücksichtigen. Dabei muss der Kunde auf die Sachkenntnis des Bewerters vertrauen. Aber genau jene zu beurteilenden Einschätzungen würden Verfechter von hedonischen Modellen wieder als subjektive Einschätzung abtun.

Das hört sich so an, also ob die eher ein Verfechter der klassischen Immobilienbewertungsverfahren bist?

Als Anwender mit guter Ausbildung und Marktkenntnis ist für mich die Verkehrswertermittlung mittels Vergleichs-, Sach- und Ertragswertverfahren einfacher durchführbar. Um ein hedonisches Modell einzurichten ist neben dem hohen mathematischen Verständnis auch eine umfangreiche Datenbank notwendig.

Natürlich haben auch die beschriebenen Verfahren ihre Schwächen. Da muss der Bewerter wissen welches Verfahren sich für ein spezifisches Objekt eignet.

Ich studiere regelmäßig die öffentlich zugänglichen Gutachten meiner Kollegen zu Zwangsversteigerungen. Leider sehe ich immer wieder, dass gewisse Kollegen immer dasselbe Verfahren verwenden, egal für welche Immobilie.

Zu den Schwächen: So hat bereits Ziegenbein in seiner Dissertation aus dem Jahr 1977 berechnet, dass im Vergleichswertverfahren bei einer geforderten Genauigkeit von +/-10 % mindestens 21 Vergleichsobjekte notwendig wären. (vgl. Ziegenbein 1977) Eine derart hohe Zahl an vergleichbaren Objekten wird in den wenigsten Fällen mit vergleichbarer Größe, Lage etc vorhanden sein. Aus diesem Grund werden Vergleichsobjekte an die entsprechende Marktlage mittels Zu- oder Abschlägen an die Marktlage angepasst.

Outro ^ 

Danke Thomas für deine Darstellung der aktuellen Literatur, mit der du die klassischen Bewertungsverfahren dem hedonischen Modell gegenübergestellt hast. Das war eine Podcast-Episode zu Immobilienbewertung mit Thomas Deutinger und Christian Huber.


Literaturverzeichnis ^ 

  • Gerardy, T., R. Möckel, & H. Troff, 2019. Praxis der Grundstücksbewertung. 5. Aufl. Kulmbach: Verl. Moderne Industrie, OLZOG.

  • Haas, S., 2010. Modell zur Bewertung wohnwirtschaftlicher Immobilien-Portfolios unter Beachtung des Risikos. Entwicklung eines probabilistischen Bewertungsmodells mit quantitativer Risikomessung als integralem Bestandteil. Wiesbaden: Gabler.

  • Kleiber, W., J. Simon, & K. Schröter, 2007. Verkehrswertermittlung von Grundstücken. 5. Aufl. Köln: Bundesanzeiger-Verl. ImmWert, Fakten für Wertermittler

  • Maier, G., & S. Herath, 2015. Immobilienbewertung mit hedonischen Preismodellen. Theoretische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: Springer Fachmedien

  • Ransmayr J., 2010. Der Wert der Erreichbarkeit. Auswirkungen von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen auf den Bodenmarkt. In: Der Öffentliche Sektor. 4. 55-73

  • Seiser, F. 2011. Hedonische Verfahren in der Immobilienbewertung. In: Sachverständige. 2. 93

  • Weberndorfer, R., & W. Brunauer, 2015. Vom Vergleichswertverfahren zum hedonischen Preismodell. In: Liegenschaftsbewertung. 2. 38

  • Ziegenbein, W., 1977. Zur Anwendung multivariater Verfahren der mathematischen Statistik in der Grundstückswertermittlung [Dissertation]. Hannover.



Alle Literaturangaben sowie die Zitate wurden von den jeweiligen Studierenden erstellt. Diese folgen keinem einheitlichen Regelwerk und sind nicht auf Mängel geprüft. Die Urheberschaft für die Interview-Texte liegt bei den jeweiligen Studierenden.

 

 
Episode 5 - Klassische Immobilienbewertungsverfahren versus hedonische Immobilienbewertung. Christian Huber im Gespräch mit Thomas Deutinger
 

 

 

 

Copyright CC-BY-SA | Thomas Deutinger und Christian Huber | 05.03.2021 | Impressum | Datenschutz