FMI - der Podcast über aktuelle Themen und Forschungsergebnisse rund um die Immobilie

#4 Diskriminierung am Wohnungsmarkt


 

Sarah Baatour engagiert sich gegen Diskriminierung am Wohnungsmarkt und forscht zu den Ursachen. Im Gespräch berichtet sie von den vielfältigen Möglichkeiten, wie Personen bei der Wohnungssuche aber auch generell am Wohnungsmarkt diskriminiert werden. Sie zeigt Lösungsmöglichkeiten auf, sich dagegen zu wehren und erläutert, wie die Immobilienbranche Diskriminierung reduzieren und vermeiden kann.


 

FMI - Podcaster, Autor:innen
Sarah Baatour und Christian Huber

FMI - Datum der Episode
Episode vom: 22.01.2021

FMI - Dauer der Episode
Dauer der Episode: 10:02 Minuten

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Willkommen ^ 

In dieser Episode geht es um Diskriminierung am Wohnungsmarkt. Was bedeutet Diskriminierung konkret, wenn es ums Wohnen geht? Ich spreche darüber mit Sarah Baatour. Sie ist ImmobilienExpertin und beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit diesem aus meiner Sicht sehr wichtigen Thema.Neben Ihren Erfahrungen geht es aber natürlich hier auch um Möglichkeiten und Lösungsansätze, sich gegen Diskriminierung zu wehren und diese zu vermeiden. Mein Name ist Christian Huber, und ich freue mich sehr auf das Gespräch.

Wieso dieses Thema? ^ 

Sarah, du hast dich mit dem Thema „Diskriminierung am Wohnungsmarkt“ auseinandergesetzt. Was hat dich an diesem Thema gefesselt, sodass du dein Wissen auch im Rahmen deiner Forschungsarbeit behandelst?

Herzlichen Dank für die Einladung meine Expertise teilen zu dürfen. Für mich bietet dieses Thema viel Potential, weil insbesondere in urbanen Bereichen die hohe Nachfrage nach Wohnraum und die Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses zusammenkommen und die Schere zwischen Angebot und Nachfrage stark auseinanderklafft. Wenn man noch bedenkt, dass der Zugang zu Wohnraum nicht für jede bzw. jeden gleich ist, so entsteht eine Situation, welche Betroffene teilweise vor unglaubliche Herausforderungen stellt. Vor längerer Zeit hat mich hierzu das Buch von Michael Voigtländer mit dem Titel Luxusgut Wohnen inspiriert. Er durchleuchtet sämtliche Themen rund um den Wohnungsmarkt und findet spannende Erklärungen für Preissteigerungen, Marktungleichheiten und Wohnungspolitik. (Vgl. Voigtländer, 2017)

Wohnen ist omnipräsent und ein Grundbedürfnis, das selbstredend gedeckt werden soll. Ein Großteil von uns –also daher auch die Hörerinnen und Hörer -haben sich bereits selbst der Suche nach geeignetem Wohnraum gestellt und die Tücken des Marktes kennengelernt: Da wie bereits erwähnt Angebot und Nachfrage nicht immer ausgeglichen sind, ist eine hinzukommenden Diskriminierung der Gipfel einer Such-Tortur. Dann fallen mir eigentlich nur zwei Möglichkeiten ein: entweder man hofft auf Batman im Kampf gegen das Böse oder man versucht auf diesesThema aufmerksam zu machen, sensibilisiert die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer und zeigt im Zuge eines konstruktiven Diskurses oder eben auch im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit Ungleichheiten und deren Auswirkungen auf. Ich bin jedoch nicht die Erste, die dieses Thema aufgreift. Erfreulicherweise gibt es sogar entsprechende Informationsveranstaltungen, Vorträge und Erläuterungen rechtlicher Rahmenbedingungen.

Das bedeutet Diskriminierung ^ 

Der Begriff Diskriminierung ist mir natürlich geläufig, aber doch klingt er im ersten Augenblick doch etwas abstrakt. Kannst du erklären, was ich mir darunter genau vorstellen kann? Und natürlich: wo beginnt Diskriminierung und wann kann ich sagen, dass ich diskriminiert werde?

Diskriminierung beginnt immer, wenn jemand auf Grund eines Merkmals schlechter behandelt wird. Merkmale sind beispielsweise die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religionszugehörigkeit, das Alter oder auch die sexuelle Orientierung.Um Diskriminierung vorzubeugen oder dagegen anzukämpfen wurde in Österreich –auf Bundesebene -die Gleichbehandlungsanwaltschaft eingerichtet. Diese Einrichtung ist begrüßenswert und leistet im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute Arbeit. Trotzdem ist eine Diskriminierung aus juristischer Sicht nicht immer einfach zu bekämpfen. Das liegt auch daran, dass Diskriminierung nicht immer offen, sondern verdeckt, passiert.

Lass und das nun auf dem Wohnungsmarkt betrachten. Wie stellt sich denn Diskriminierung am Wohnungsmarkt genau dar? Sind das Einzelfälle, oder kommt es häufiger vor? Vielleicht kannst du auch von konkreten Beispielen aus der Praxis berichten, um diese Problematik etwas greifbarer zu machen?

Es gibt zahlreiche Beispiele, die immer wieder ans Tageslicht kommen. Zuletzt war der Zuzug einer muslimischen Familie in einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde präsentes Thema nationaler und sogar internationaler Medien. Die Familie hat ein Haus erworben und hatte zuvor allerhand Rechtsstreitigkeiten, insbesondere wegen grundverkehrsbehördlicher Vorschriften auszutragen. Das reichte so weit, dass sich Gruppierungen und Unterschriftensammlungen gegen den Zuzug der muslimischen Familie innerhalb der Gemeinde gebildet haben (Vgl. Ichner, 14.02.2020). Dies ist nun ein sozusagen medial prominentes Beispiel, doch wenn man sich vorstellt, dass andere Gemeindebewohnerinnen und Gemeindebewohner Unterschriften sammeln, weil sie den Zuzug von Personen anderer Religionszugehörigkeit oder ethnischer Herkunft verhindern wollen, zeigt das die durchaus stattfindende Spaltung unserer Gesellschaft.

Man muss jedoch auch an dieser Stelle betonen, dass Diskriminierung meistens dort passiert, wo die oder der Schwächere nicht sofort aufschreit oder sich gar nicht so einfach zu Wehr setzen kann. Man denke hier an Maklerinnen/Makler, welche Wohnungsangebote bewusst bei Personen mit nicht österreichisch klingenden Namen zurückhalten. Vermieterinnen/Vermieter, die grundsätzlich nicht an Ausländerinnen/Ausländer vermieten, weil man der Meinung sei, dass diese grundsätzlich lauter seien oder durch nicht österreichische Küche unangenehme Gerüche im Haus verbreiten.

Man kann daher im Sinne Barbara Steffners Bericht über Aktuelle Entwicklungen in der Europäischen Antidiskriminierungspolitik zusammenfassend festhalten, dass Personen mit Migrationshintergrund einen deutlich schwierigeren Stand am Wohnungsmarkt haben als alle anderen (Vgl. Steffner 2010). Ebenso sind laut Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich durchaus mehr Frauen als Männer am Wohnungsmarkt benachteiligt. Alleinerzieherinnen oder Schwangere sind beispielsweise auch nicht erste Wahl der Vermieterin/des Vermieters (Vgl. Anwaltschaft für Gleichbehandlung, 2017).

Und um deine Frage konkreter beantworten zu können, ob es bei Einzelfällen bleibt, möchte ich sagen, dass laut eines kürzlich in der österreichischen Immobilienzeitung erschienen Interviews mit der Bereichsleiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft sich jährlich zwischen 30 und 60 Hilfesuchende melden (Vgl. OIZ, 2012). Das mag zwar nicht so viel erscheinen, doch man darf nicht vergessen, dass oftmals die Beweislage dünn bzw. eine Diskriminierung nicht immer leicht zu beweisen ist. Ebenso gibt es auch Menschen, die sich auch Scham oder Desillusion erst gar nicht melden, sodass daher auch von einer Dunkelziffer auszugehen ist.

Lösungen gegen Diskriminierung ^ 

Wie empfinden die Betroffenen diese Diskriminierung? Gibt es Möglichkeiten sich dagegen zu wehren?

Betroffene nehmen ihre Situation oftmals einfach hin, sie wollen nicht oder haben keine Kraft zu kämpfen und gehen dann auch für sie besonders nachteilige Verträge ein. Laut des Berichtes der deutschen Antidiskriminierungsstelle ist zu beobachten, dass mit dieser benachteiligten Personengruppe hauptsächlich befristete Verträge abgeschlossen werden -auch zu höheren Mietzinsen, die teilweise gesetzlich nicht in Ordnung sind.Aus rechtlicher Sicht wird mit in der Verfassung verankerten und gewährleisteten Grundrechten ein großer Schritt gesetzt. Darin ist das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz normiert. Das gilt für uns alle.

Konkret hilft hier das Gleichbehandlungsgesetz, das insbesondere innerhalb der Arbeitswelt schon besser angekommen ist als am Wohnungsmarkt. Im Jahr 2004 wurden auf Grund EU-Gesetzgebung Diskriminierungsgründe ergänzt und auch auf Sachverhalte außerhalb der Arbeitswelt ausgedehnt. Dadurch hat man jedenfalls versucht, mehr Chancengleichheit in unserer Gesellschaft zu schaffen. Betroffene können sich in Österreich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden und dort beraten werden. Grundsätzlich können im Falle einer nachgewiesenen Diskriminierung Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2020).

Noch besser wäre es, wenn eine Diskriminierung erst gar nicht aufkommen würde. Sarah, siehst du Lösungsansätze, wie ich Diskriminierung vermeiden kann?

Zum einen muss man die Problematik erkennen, das ist meines Erachtens (sprichwörtlich gesagt) schon mal die halbe Miete. Betroffenen muss das Gefühl gegeben werden, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen werden –politische Partizipation ist angesagt.Und man muss sich mit unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Es ist nun mal so, dass Menschen aus aller Herren Länder kommen und ein erfolgreiches Miteinander nur durch Respekt, Wertschätzung und Integration möglich ist. Fassmann und Franz haben in ihrem englischsprachigen Forschungsbericht Integration policies at the local level festgehalten, dass eine gelungene Integration auch über Wohnen passiert. Mit einem ordentlichen Dach über dem Kopf findet jede/jeder Platz im gesellschaftlichen Leben (Vgl. Fassmann und Franz, 2010).

Ich finde diesen Ansatz sehr gut, denn wie auch Barabra Perfahl in ihrem Buch Ein Zuhause für die Seele, schreibt, ist Wohnen nach der eigenen Haut und der Kleidung die dritte Haut (Vgl. Perfahl, 2015). Und fühlt man sich in seiner Haut oder auch in seiner dritten Haut nicht wohl, kann sich eine Menge Aggression aufstauen, die letzten Endes wieder nur in unserer Gesellschaft landet. Daher kann so ein Unterbrechen des Teufelskreises durchaus positive Auswirkung auf unser gemeinsames Zusammenleben haben.

Outro ^ 

Sarah, ganz herzlich Dank, dass du dein Wissen und deine Erfahrungen geteilt hast. Das war die Podcast-Episode über Diskriminierung am Wohnungsmarkt und Lösungsansätze, wie ich mich dagegen wehren bzw. wie ich dies von Grund auf vermeidenkann. In dieser Podcast-Episode sprachenSarah Baatour und Christian Huber.


Literaturverzeichnis ^ 



Alle Literaturangaben sowie die Zitate wurden von den jeweiligen Studierenden erstellt. Diese folgen keinem einheitlichen Regelwerk und sind nicht auf Mängel geprüft. Die Urheberschaft für die Interview-Texte liegt bei den jeweiligen Studierenden.

 

 
Episode 4 - Diskriminierung am Wohnungsmarkt. Christian Huber im Gespräch mit Sarah Baatour
 

 

 

 

Copyright CC-BY-SA | Sarah Baatour und Christian Huber | 15.02.2021 | Impressum | Datenschutz