echt:nachhaltig - der Podcast über nachhaltige Berufe, Ideen und Initiativen

#1 Beruf : Nach­haltig­keits­beauf­tragte


 

Natalie Ismaiel erzählt über ihre Aufgaben als Nach­haltig­keits­beauftragte in der Stadt Kufstein. Sie berichtet von Heraus­forderungen und Chancen gemeinsam mit Bürger:innen und Unternehmen nachhaltige Projekte anzupacken und umzusetzen. Natalie Ismaiel lässt uns auch teilhaben, wie sie selbst versucht nachhaltig zu leben.


 

echt:nachhaltig - Podcaster, Autor:innen
Natalie Ismaiel und Christian Huber

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echt:nachhaltig - Datum der Episode
Episode vom: 01.11.2020

echt:nachhaltig - Dauer der Episode
Dauer der Episode: 15:40 Minuten

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Die Nachhaltigkeitsbeauftrage - Nachhaltigkeit in Gemeinden und Städten ^ 

In dieser Podcast-Episode geht es um nachhaltige Entwicklung in einer Gemeinde und in einer Stadt. Ihr erfahrt, welche Aufgaben eine Nachhaltigkeitsbeauftragte hat und was so jemand bewirken kann?

Willkommen: Natalie Ismaiel ^ 

Zu Gast ist Natalie Ismaiel. Sie ist verantwortlich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Stadt Kufstein. Mein Name ist Christian Huber und ich freue mich sehr auf das gemeinsame Gespräch.

Aufgaben einer Nachhaltigkeitsbeauftragten: Kommunikation, Schnittstelle, Netzwerke ^ 

Natalie, du bist offizielle Nachhaltigkeitsbeauftragte. Was machst du, was sind deine Aufgaben?

Am allerwichtigsten ist die breite Kommunikation der Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit, um Bewusstsein für deren Bedeutung zu schaffen. Das soll auf allen Ebenen ermöglicht werden. Im Gespräch ebenso, wie auf den Medienkanälen. Öffentlichkeitsarbeit ist das A und O im Klimaschutz. Ich sehe mich als Sprachrohr und möchte die Bevölkerung für einen nachhaltigeren Lebensstil motivieren und aufzeigen, wie man klimaschonendes Verhalten in den Alltag integrieren kann.

Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema über alle Bereiche einer Gemeinde. Ich diene als Schnittstelle für die verschiedenen Abteilungen der Gemeinde, für Betriebe, Vereine, Bürgerinnen und als Ansprechperson für alle Themen, die mit Umwelt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit zusammenhängen. Das beinhaltet das Verfassen von Anträgen und Empfehlung zu klimarelevanten Themen an politische Gremien. Durch die Erweiterung von Förderschienen von der Gemeinde für BürgerInnen und das Anzapfen von Fördermitteln auf Landes- und EU-Ebene für Projekte in der Gemeinde, sollen Projekte ermöglicht werden.

Klimaschutz ist eine gemeinsame Aufgabe, darum ist aktives Netzwerken eine grundlegende Aufgabe für mich. Durch die Vernetzung von Interessierten und Stakeholdern entstehen neue Kooperationen für gemeinsame Projekte.

Oh ja, ich bin überzeugt, dass Kommunikation mit allen Beteiligten eine sehr wichtige Aufgabe ist. Wir müssen dies als gemeinsame Herausforderung sehen.

Aufgabe: nachhaltige Events ^ 

Du hast ja in deiner Funktion erste Maßnahmen und Projekte angestoßen. Kannst du uns schon berichten, wie das angekommen ist?

Als einer der ersten Arbeitsschwerpunkte war für dieses Jahr, die Nachhaltigkeit städtischer Veranstaltungen, vorgesehen. In Zusammenarbeit mit dem Klimabündnis Tirol wollen wir die Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit für Veranstaltungen anheben. Für vier Veranstaltungen haben wir auch schon die Basis-Auszeichnung zum Green Event Tirol erhalten, doch leider konnten die Veranstaltungen nicht stattfinden. Trotz der Bremse durch Corona – die aktuelle Zeit ohne Veranstaltungen nutzen wir, um nachhaltigere Lösungsmöglichkeiten für künftige Veranstaltungen zu evaluieren. In Zukunft werde ich auch Informations- und Fachveranstaltungen, Ideenwerkstätten und Workshops zum Thema organisieren.

Aufgabe: Biodiversität ^ 

Was willst du noch anpacken?

Der Schutz von Biodiversität- und Boden ist mir ein besonders Anliegen. Projekte sollen zum Schutz spezieller Lebensräume und heimischer Arten und biodiversitäts-fördernd sein, besonders für gefährdete Arten, wie zum Beispiel Wildbienen. Auch der Bekämpfung invasiver Arten soll mehr Aufmerksamkeit zukommen.

Aufgabe: Bildung und Beratung ^ 

Ein weiterer Schwerpunkt ist Bildung & Beratung: ich möchte als Informationsquelle zu Energiewende und Ressourcenschonung im Bildungsbereich, sowie in Kufsteiner Betrieben dienen. Und dadurch nachhaltiges Handeln in Kindergärten, Schulen und Unternehmen unterstützen.

Wow... das sind spannende Aufgaben. Kommunikation, Schnittstelle, Netzwerke und viele Veranstaltungen und Projekte.

Aufgabe: Förderung nachhaltige Produkte ^ 

Nachhaltigkeit kann aber ja nicht alleine von einer Stadt oder einer Gemeinde umgesetzt werden. Hierfür braucht es Bürger:innen und die Unternehmen der Region (wie gerade erwähnt). Aus meiner Sicht ist die Umstellung auf mehr Nachhaltigkeit - zumindest am Start - nicht kostenlos. Ich denke es braucht zudem eine große Bereitschaft neue Wege zu gehen. Wie siehst du hier deine Möglichkeiten mit diesem Thema zu überzeugen und zum konkreten Handeln zu bewegen?

Das stimmt. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Um den Ausstieg aus wenig nachhaltigen, alten Mustern zu erleichtern, sollen spezielle Förderungen für BürgerInnen entstehen und vorhandene Förderungen erweitert werden. So soll die Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit für Privatpersonen erleichtert werden. Zum Beispiel starten wir jetzt mit einer Förderung für Stoffwindeln, damit sich Familien den Umstieg von Einwegwindeln leisten können und so pro Kind bis zu 1 Tonne Restmüll eingespart werden.

Durch das Lukrieren von Fördermitteln auf Landes- und EU-Ebene für Projekte in der Gemeinde, sollen Projekte ermöglicht werden.

Diese Projekte sind Investitionen in die Zukunft, die unter anderem auch finanziell nicht bewertbaren/abschätzbaren Kosten abpuffern sollen.

Das mit den Stoffwindeln ist eine neue Förderung in Kufstein.

Nachhaltige Stadt Kufstein ^ 

Und was macht Kufstein aus deiner Sicht darüber hinaus noch besonderes in Bezug auf Nachhaltigkeit? Gibt es hier Unterschiede zu anderen Gemeinden und Städten?

Kufstein ist seit langer Zeit Klimabündnis- und e5-Gemeinde. Durch den Ausruf des Klimanotstandes im Juli 2019 soll das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung weiter in der Stadtgemeinde Kufstein forciert werden. Wir haben die Voraussetzungen eine Vorreiterrolle für Bürger und andere Gemeinden einzunehmen.

Was Kufstein besonders macht ist der Pioniergeist, der auch diese Stelle für Nachhaltigkeit erst ermöglicht hat. Es ist ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert Umwelt und Klimaschutz in Kufstein haben und vermehrt haben werden, eigens Personal für deren Belange anzustellen.

Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie ^ 

Hat Kufstein eine Nachhaltigkeitsstrategie?

Um eine Strategie zu entwickeln braucht es zuerst einen Überblick zum bisherigen Stand der Dinge. Für die verschiedenen Bereiche wird eine IST-(Zustands)Analyse durchgeführt. Das heißt, ich beleuchte alle Bereiche auf ihr Potential nachhaltiger zu werden. Das betrifft Ressourcen- und Energieverbräuche, Mobilität, Abfallvermeidung, Flächenverbrauch, … Darauf aufbauend erstelle ich einen Leitfaden zur Umsetzung konkreter Maßnahmen – dafür gibt es schon eine lange Liste an Ideen, die Schritt für Schritt evaluiert werden.

Auch Strategien zur Anpassung an den Klimawandel werden erarbeitet, zum Beispiel Maßnahmen gegen städtische Hitzeinseln.

Oh ja, ... aus meiner Sicht als Wissenschaftler macht es großen Sinn zuerst einmal den aktuellen Zustand zu ermitteln und die Potenziale zu analysieren, bevor eine Strategie entwickelt wird.

Nachhaltigkeit - ein Marketing-Gag? ^ 

An deinem Arbeitsplatz sitzt du zusammen mit dem Team des Stadtmarketings. Ist Nachhaltigkeit jetzt nun ein Marketing-Gag?

Im Stadtmarketing zu sitzen hilft ungemein bei meinen Hauptaufgaben Kommunikation, Bewusstseinsbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerken.

Ich sitze an der Quelle, um die Nachhaltigkeit städtischer Veranstaltungen zu optimieren. Einige Punkte der Nachhaltigkeit wurden in der Planung von Veranstaltungen seit langem berücksichtigt. Schon lange vor meiner Anstellung war das Stadtmarketing im Austausch mit dem Klimabündnis und hat besonders auf Abfallvermeidung geachtet, zum Beispiel durch Verwendung von Mehrwegbechern und –geschirr.

Auch für künftige Fachveranstaltungen und Workshops zum Thema kann ich auf die Expertise meines Teams zurückgreifen. Das ist für mich als Biologin ohne Marketingerfahrung besonders wertvoll.

Oh ja, das kann ich verstehen...

Aus- & Weiterbildung ^ 

du brauchst neben Fachwissen viele weitere Kompetenzen. Heute können interessierte Personen Nachhaltigkeitsmanagement mit Bachelor- und Master-Abschluss an der Fachhochschule Kufstein studieren. Bei dir gab es das noch nicht. Du hast gerade gesagt, dass du Biologin bist. Das ist aber noch nicht alles, oder? Was war dein Weg bei der Aus- & Weiterbildung, bevor du jetzt verantwortlich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Kufstein wurdest?

Ich habe den Bachelor in „Biologie“ an der Uni Salzburg und den Master „Ökologie und Biodiversität“ an der Uni Innsbruck gemacht. Meine Ferialjobs lagen ich im Bereich Angewandte Gewässerökologie. Im Masterstudium bin ich für ein Auslandssemester nach Portugal gegangen, um Kurse in Meeresökologie und Ökotourismus zu belegen. Den Schwerpunkt meines Studiums habe ich immer auf angewandte Ökologie und Naturschutz gelegt.

Nach Abschluss meines Studiums habe ich während einer längeren Reise, unter anderem durch Volunteering als Biologin, meine „soft skills“ in vielen Bereichen, mein Englisch und meinen Horizont erweitert.

Wie ist es nach deinem Studium weitergegangen?

Als ich zurückkam, habe ich für ein Forschungsinstitut in Südtirol und ein ziviltechnisches Büro in der Nähe von Innsbruck gearbeitet. Letztes Jahr konnte ich bei der Ausbildung zur „kommunalen Klimaschutzbeauftragten“ beim Klimabündnis Tirol weiteres Wissen zu gemeindespezifischen Gegebenheiten erlernen und Mitglied des Netzwerks der im Klimaschutz tätigen Organisationen werden.

Das hört sich nach einem sehr spannenden Lebenslauf an.

Nachhaltig leben - persönliche Erfahrungen von Natalie Ismaiel ^ 

Neben dem, dass du dich in der Ausbildung schon intensiv mit vielfältigen Themen der Nachhaltigkeit beschäftigt hast, lebst du selbst schon seit vielen Jahren nachhaltig. Seit wann machst du das und wie bist du dazu gekommen?

Nachhaltig zu leben ist ein „ongoing process“ Mir ist schon als Kind klargeworden, dass ich mit der Art und Weise, wie der Großteil der Menschheit mit der Natur umgeht, nicht einverstanden bin. Mein Verständnis eines nachhaltigen Lebens ist, dass ich die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die durch meinen Lebenswandel und mein Konsumverhalten entstehen, so klein wie möglich halte und so gleichzeitig Vorbild für meine Mitmenschen sein kann.

Was machst du konkret?

Nachhaltigkeit bedeutet in meinem Leben, mich täglich bewusst zu entscheiden ressourcenschonend zu Handeln. Konkret heißt das: ich esse seit meinem halben Leben kein Fleisch, hatte nie ein Auto, verzichte auf tierische Produkte zum Beispiel Leder, kaufe bio/saisonal/regional Lebensmittel ein, vermeide klimaschädliche Produkte, entscheide mich für Unverpacktes und Krummes. Mein Kleiderschrank und Schuhregal bestehen zu 90% aus Second-Hand-Produkten, ebenso sind meine Möbel wiederverwendet oder selbstgebaut.

Im Alltag achte ich auf sehr viele Details: ich verkoche Lebensmitteln bevor sie schlecht werden, bringe einen Stoffbeutel zum Gemüse- und Broteinkauf mit, habe keine Geräte dauerhaft im Stand-By-Modus, achte auf Inhaltsstoffe und vertrauenswürdige Labels, verschenke lieber Erlebnisse und Selbstgemachtes und unterstütze die Nachhaltigkeit meiner Freunde, in dem ich ihnen zum Beispiel einen Handtaschenaschenbecher schenke. Ich lerne immer mehr nachhaltige Alternativen kennen.

Das mit dem Handtaschenaschenbecher ist ne super Idee. Generell bedeutet nachhaltig Leben ja auch mit weniger auskommen oder sich zumindest bei jeder Anschaffung gut zu überlegen, ob ich das wirklich brauche. Wie ist das bei dir?

Ich bin „Minimalistin“ – ich besitze und konsumiere wenig, weil ich wenig brauche, um ein gutes und gesundes Leben zu führen. Wenn ich etwas Neues kaufe, achte ich auf Langlebigkeit und Qualität, anstatt bei Schnäppchen und „in der Menge billiger Angebote“ zuzugreifen. Ich kaufe so gut es geht vor Ort, vermeide Online-Shopping und bevorzuge recycelte Produkte. Auch im Umgang mit meinen Mitmenschen versuche ich jedem mit Respekt zu begegnen und so Beziehungen und Austausch nachhaltig zu erhalten.

Es ist sehr motivierend, wenn ich sehe, dass die „message“ – offen kommuniziert oder jahrelang „vor“gelebt – ankommt und sich immer mehr Leute in meinem Umfeld dazu entscheiden bewusst nachhaltiger zu leben.

Nachhaltigkeits-Blog ^ 

Ganz zu Beginn hast du gesagt, dass Kommunikation ist für dich ganz wichtig. Für die Stadt Kufstein machst du einen Nachhaltigskeitsblog.

Ja genau... der Zukunfts-Blog. Ich möchte Leute inspirieren, motivieren und bei der Umstellung zu einem zukunftsorientierten Lebensstil unterstützen. Es ist wichtig, dass jeder versteht, dass auch kleine Schritte zählen, wenn die Richtung stimmt. Ich beantworte am Blog Fragen wie: Warum ist Nachhaltigkeit wichtig? Was ist die Verantwortung jedes Einzelnen? Welche Auswirkungen haben wir auf die Umwelt und umgekehrt?

Hey... wo kann ich das lesen?

Der Blog ist seit kurzem online und wird laufend erweitert. Ich freue mich über Themenvorschläge für weitere Beiträge. Der Blog ist unter zukunft.kufstein.at erreichbar.

erste Schritte: nachhaltig Leben ^ 

Im Gespräch ist glaube ich schon deutlich geworden, dass Nachhaltigkeit viele Aspekte hat und es eine große Anzahl an Möglichkeiten gibt, nachhaltiger zu leben und zu wirtschaften. Was wären aus deiner Sicht die ersten, vielleicht die wichtigsten Schritte, wenn ich ab heute nachhaltiger leben möchte?

Abfall vermeiden, Energie und Ressourcen sparen, sanfte Mobilitätsformen nutzen, bewusst Konsumieren, Dinge Wiederverwenden und Reparieren, nicht jedem Trend folgen, bei Ernährung auf echte, wenig verarbeitete, regionale, tierfreie, plastikfreie Bio-Produkte setzen, … und unbedingt regelmäßig die Beiträge des Zukunfts-Blog zu lesen.

Outro ^ 

Natalie, vielen Dank für deine Informationen zu deinen Aufgaben und den Herausforderungen als Nachhaltigkeitsbeauftragte. Danke für deine Tipps und persönlichen Einblicke.

Das war unser Nachhaltigkeits-Podcast mit Natalie Ismaiel und Christian Huber


 

 
Episode 1 - Beruf Nachhaltigkeitsbeauftragte. Christian Huber im Gespräch mit Natalie Ismaiel
 

 
Episode 1 - Beruf Nachhaltigkeitsbeauftragte. Christian Huber im Gespräch mit Natalie Ismaiel
 

 

 

 

Copyright CC-BY-SA | Natalie Ismaiel und Christian Huber | 19.11.2020 | Impressum | Datenschutz